Theologie: Die Lehre davon, wie man aus Nichts ein eigenes Universum voller Möglichkeiten erschafft, anderen etwas einzureden und aufzuschwatzen.
Inhaltsverzeichnis:

         Argument 6 – Ewige Existenz
         Argument 7 – Willentlicher Agent
         Argument 8 – Immaterielle Ursache
         Argument 9 – Es war Gott!
         Argument 10 – Gott existiert ...
      Fazit

Fortsetzung von Kalamitäten mit Kalam, Teil I
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Argument 6 – Ewige Existenz

(P11) Alles, was zeitlos existiert muss ewig existieren.
(P12) Kein natürlicher Prozess kann zeitlos existieren (folgt aus (S3) und (S4)).

(S6) Daher: Das Universum kann keine natürliche Ursache haben.

P(11) Alles, was zeitlos existiert muss ewig existieren.

Das kann man unterschreiben. Man müsste hinzufügen: Alles, was zeitlos existiert, ist statisch, unveränderlich – und kann keine Änderung hervorrufen. Und wenn doch, kann das ebenso gut ein Naturgesetz sein.

(P12) Kein natürlicher Prozess kann zeitlos existieren (folgt aus (S3) und (S4)).

Dass ein Prozess  nicht zeitlos  sein kann, folgt aus der Definition des Begriffs »Prozess«. Wenn man es so ausdrückt, fällt auf, dass Schöpfung ebenfalls ein Prozess ist, den es ohne Zeit nicht geben kann. Meine Argumentation wäre:

Alles, was zeitlos existiert, ist statisch.
Alles, was dynamisch ist, setzt Zeit voraus.
Wenn etwas Zeitloses etwas Dynamisches hervorbringen kann, gilt dies auch für Naturgesetze, und Gott ist überflüssig.

Wenn etwas Statisches nichts Dynamisches hervorbringen kann, ist Gott unmöglich.

Weiterhin ist nicht klar, dass natürliche Prozesse einen Beginn in der Zeit haben. Meine Argumentation wäre:

Wenn die Zeit einen Beginn  hätte, würde dies eine Zeit vor dem Beginn der Zeit voraussetzen.
»Beginn vor dem Beginn« ist selbstwidersprüchlich.
Folglich gab es keinen »Beginn der Zeit«.

Daher kann es nichts geben, was einen Beginn der Zeit voraussetzt.

Zeit vergeht entweder unendlich, oder, Zeit ist nur ein lokaler Prozess, dessen Vergehen an die Existenz von Materie und Raum geknüpft ist. Letzteres ist die moderne Auffassung der Physik. Wir dürfen nicht vergessen, dass Kalams Argument – wie andere auch – an einer mittelalterlichen Vorstellung von Zeit und Raum hängt. Zeit beginnt, sobald Materie existiert und sich im Raum bewegt, der von der Materie gebildet wird. Raum und Zeit sind äquivalent, zusätzlich besitzt die Zeit in der Natur keine Richtung. Aus dem Grund ist Selbstverursachung möglich: Das Universum A verursacht in der Zeit rückwärts das Universum B, welches in seiner Zeit rückwärts das Universum A verursacht. Das bezeichnet man als »Biversum«. Wenn unser Universum A ist, erstreckt sich von uns aus gesehen das Universum B unendlich in die Vergangenheit, ohne sukzessive Zufügung von Elementen.

Von den Naturgesetzen aus gesehen ist das gut möglich. Ich weiß nicht, ob es so war, als Möglichkeit widerlegt es das Argument. Es zeigt, dass die Prämisse (P12) falsch ist.

 

Argument 7 – Willentlicher Agent

(P13) Eine Wirkung muss entweder durch einen natürlichen Prozess oder einen willentlichen Agenten verursacht werden.
(P14) Das Universum kann keine natürliche Ursache haben (siehe (S6)).

(S7) Daher: Das Universum muss durch einen willentlichen Agenten verursacht worden sein.

(P14) Das Universum kann keine natürliche Ursache haben.

Da die Schlussfolgerung zuvor widerlegt wurde, ist die Prämisse falsch und damit das Argument.

(P13) Eine Wirkung muss entweder durch einen natürlichen Prozess oder einen willentlichen Agenten verursacht werden.

Die Frage ist, wie  wirkt in der natürlichen Welt ein willentlicher Agent auf eine Sache ein? Antwort: Durch ein natürliches Ereignis! Die Prämisse lautet, wenn man sie sich genau betrachtet: Eine Wirkung muss entweder durch einen natürlichen Prozess oder durch einen natürlichen Prozess (eines willentlichen Agenten) verursacht werden. Aha! Es folgt die Schlussfolgerung nicht. Erneut wird der Begriff der »Ursache« missbraucht, der von seiner Definition her in der Physik keine übernatürlichen Prozesse zulässt.

Meine Behauptung sähe anders aus:

Alles, was natürlich ist, kann nur durch natürliche Prozesse beeinflusst werden.
Die Art des Einflusses nennen wir »Ursache und Wirkung«.
Eine Ursache, die eine Sache erzeugt hätte, wurde niemals beobachtet.

Folglich kann das natürliche Universum nur eine natürliche Ursache haben.

Es zeigt sich wieder: Wenn man die fehlerhaften Prämissen in den Argumenten für Gott ersetzt, oder die defekte ↑Logik korrigiert, bekommt man ein Argument gegen Gott!

 

Argument 8 – Immaterielle Ursache

(P15) Alles, was weder auf Zeit, Energie noch Materie basiert, ist immateriell.
(P16) Das Universum hat keine materielle (oder natürliche) Ursache (siehe (S6)).

(S8) Daher: Das Universum hat eine immaterielle Ursache.

(P15) Alles, was weder auf Zeit, Energie noch Materie basiert, ist immateriell.

Das kann man so lassen. Zahlen, beispielsweise, sind immateriell, nach dieser Definition. Damit aber auch die ganze Mathematik, ebenso die grundlegenden Naturgesetze. Diese beruhen – und das mag viele überraschen – nicht auf dem Vorhandensein von Materie, sondern auf den Symmetrieeigenschaften des Nichts. Siehe dazu auch den Artikel von mir: →Woher kommen die Naturgesetze?.

(P16) Das Universum hat keine materielle (oder natürliche) Ursache.

Die Fehler in dieser Prämisse habe ich bereits behandelt. Es kann eine materielle Ursache haben, es kann aber auch eine immaterielle Ursache haben – etwa Naturgesetze. Ein Gott hingegen ist nicht möglich, denn dann hätten wir einen »zeitlosen, statischen, aber in der Zeit agierenden dynamischen willentlichen Agenten«, und das ist selbstwidersprüchlich (maximal falsch).

 

Argument 9 – Es war Gott!

Jetzt kommen wir zum Kern der Sache, nämlich Gott.

(P17) Die Ursache des Universums ist ein willentlicher Agent (S7), der immateriell ist (S8), zeitlos oder ewig existiert (S4).
(P18) Wenn wir von einem willentlichen, immateriellen, zeitlosen Agenten reden, der das Universum verursacht (oder geschaffen) hat, kann es sich nur um Gott handeln.

(S9) Daher: Die Ursache des Universums ist Gott.

Wie ich schon sagte: (P17) und (P18) widersprechen sich wechselseitig. Wir kennen nur natürliche Agenten, die in der Zeit wirken, und mittels natürlicher Prozesse auf bereits vorhandene Materie einwirken können. Die ganzen Argumente führen eine völlig neue Art von Ursache ein, die von einem völlig »neuartigen« willentlichen Agenten ausgeführt wurde, dessen wesentliche Eigenschaften auf einem logischen Widerspruch beruhen (er ist statisch und dynamisch gleichzeitig, immateriell, wirkt aber materiell).

Wenn man Gott so definiert (zeitlos, immateriell, willentlicher Agent), dann kann er ebenso wenig existieren wie ein »verheirateter Junggeselle «. Man kann sagen, dass dieser Gott per Definition  nicht existiert.

Selbst wenn man diese Widersprüche einen Augenblick lang ignoriert, so ist der Schluss auf einen  Gott nicht gerechtfertigt. Es können auch mehrere sein. Aber da fast alle Argumente in dieser Kette fehlerhaft sind, ist es diese Schussfolgerung auch.

 

Argument 10 – Gott existiert ...

Das letzte Argument aus der Kette ist eine Zusammenfassung der bisherigen:

(P19) Wenn das Universum zu existieren begann (P2), und die Ursache des Universums Gott ist, dann muss Gott existieren.
(P20) Das Universum begann zu existieren und kann nur Gott als Ursache haben.

(S10) Daher: Gott existiert.

Da die beiden Prämissen falsch sind, ist es auch die Schlussfolgerung. Das Universum begann nicht in einer absoluten Zeit zu existieren, die Ursache kann ein Naturgesetz sein, oder ein natürlicher Prozess, aus diesem Grund ist der Schluss auf Gott nicht gerechtfertigt. Zwischendurch haben wir gesehen, dass man auf diese Weise, durch Korrektur falscher Voraussetzungen, gegen Gott argumentieren kann. Damit widerspricht man nicht bekannter Physik.

Es wäre ebenso gut möglich, dass mehrere Universen existieren, ein sog. »Multiversum«. Das bringt weitere Universen hervor. Da es nur lokale Zeit gibt, und keine globale, absolute Zeit, existiert nichts für eine unendlich lange Zeitspanne.

 

Fazit

Keines der Argumente ist überzeugend, die Prämissen widersprechen der ↑Logik oder bekanntem Wissen. Korrigiert man die Voraussetzungen, widerspricht es teilweise der Existenz Gottes. Wir können eher schließen: Gott existiert nicht. Bei maximal gutem Willen kann man im besten Fall zu dem Schluss kommen, dass die Argumente zumindest nicht für Gott sprechen. Die Argumentation lebt davon, alternative Erklärungen nicht zuzulassen, auf empirische Tatsachen wird kein Bezug genommen. Es zeigt sich erneut, dass man im reinen Denken nicht die Existenz von etwas beweisen kann.

Weiterhin widersprechen die Argumente fundamental der Behauptung, dass Gott nicht der ↑Logik unterliegt, das ist ohnehin Unsinn.

Man kann nicht beweisen, was nicht existiert, oder keinen Einfluss auf diese Welt hat, oder was Unsinn ist. Suche Dir aus, was auf Deinen Gott zutrifft!

Volker Dittmar


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