Inhaltsverzeichnis:

      Das beste Argument für Gott ...
         Widerlegung
      Fazit

 

Das beste Argument für Gott ...

... ist das sog. Finetuning-Argument. Zuvor nannte ich es »das theistische anthropische Prinzip«, mittlerweile hat sich der Anglizismus durchgesetzt.

Hier das Argument:

(P1) Viele physikalische Konstanten haben die Hervorbringung von Leben erst ermöglicht.
(P2) Wenn sie nur um eine Winzigkeit von den vorhanden Werten verschieden wären, wäre kein Leben entstanden.
(P3) Die spezifische Kombination von Werten ist extrem unwahrscheinlich.
(P4) Deswegen können die Konstanten nicht zufällig oder aufgrund von Notwendigkeiten ihre Werte haben (folgt aus (P3).

(P5) Es muss jemand die Konstanten fein eingestellt haben, dass Leben möglich wurde (Schlussfolgerung aus (P4)).


(S) Dieser jemand ist Gott.

Wir finden das Argument erläutert unter: →Reasonable Faith (Dr. Lane Craig).

Im Video wird z. B. behauptet, dass eine winzige Änderung der Gravitationskonstante die Entstehung von Galaxien unmöglich machen würde. In [Stenger 2011] wird die Argumentation von einem Astrophysiker auseinandergenommen. Der theoretische Physiker Dr. Sean Carrol hat ebenfalls Einwände gegen das Argument, was man in der folgenden Debatte nachverfolgen kann: →William Lane Craig and Sean Carroll: God and Cosmology, ab Minute 38:25.

Wie bei allen anderen kosmologischen Argumenten handelt es sich um ein Argument des Unwissens : Wir wissen nicht ... also Gott. Es wird ein »Lückenbüßergott« eingeführt, der exakt die vorhandene Erklärungslücke ausfüllt. In dem Fall ist die Wissenslücke schon geschlossen, hier sind die Theisten nicht auf dem neuzeitlichen Stand der Wissenschaft.

 

Widerlegung

Der Reihe nach:

(1) Im Argument wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Parameter unabhängig voneinander beliebige Werte annehmen können. Die Mehrheit der genannten Einflussgrößen balanciert andere Einstellungen aus. Das kann man mit vorhandener Physik erklären. Die Messwerte hängen über Naturgesetze zusammen.

Der Nobelpreisträger t'Hooft hat gezeigt, dass die Mehrheit der Finetuning-Konstanten den Wert 1 annehmen, wenn man das zugrundeliegende Maßsystem normiert. Das bezeichnet man als die Natürlichkeit einer Konstanten. Unser Einheitensystem ist willkürlich aufgebaut – ein Meter ist annähernd eine Schrittlänge, eine Sekunde entspricht in etwa der Dauer eines Herzschlags etc. Die krummen Werte der Festwerte sind Umrechnungsfaktoren  von einem Maßsystem in ein anderes.

Benutzt man ein normiertes Berechnungssystem, wird aus der berühmten Formel E = M * c^2 (Energie ist gleich der Masse multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit) E = M. Denn c = 1, die Lichtgeschwindigkeit hat einen natürlichen Wert. Damit wird deutlich, was die einsteinsche Formel aussagt: Energie und Materie sind äquivalent. Auf die Weise verschwinden die Naturkonstanten aus den Formeln, da man keine Umrechnungsfaktoren mehr benötigt.

Es gibt hiervon nur zwei Ausnahmen: Die kosmologische Konstante und die Masse des Higgs-Bosons. Beide hängen vermutlich  miteinander zusammen, sind variabel und haben sich im Laufe der Zeit in Abhängigkeit voneinander geändert.

Die sog. Finetuning-Konstanten sind variabel, hängen voneinander ab, balancieren sich gegenseitig aus oder verschwinden, wenn man kein willkürliches Maßsystem benutzt. Ändert man einen der Werte, erhält man ein Universum, das sich nicht wesentlich von unserem unterscheidet. Dort gilt dieselbe Physik, es entstehen langfristig existierende Sterne und Planeten, und Leben ähnlich unserem ist dort möglich.

Kurz: Es handelt sich um ein Scheinproblem, das auf mangelnder Kenntnis der Physik beruht bzw. das Unwissen der Masse ausnutzt.

(2) Die Annahmen (P1) und (P2) sind unbegründet. Wir kennen nur ein Universum, das schließt nicht aus, dass bei einer anderen Einstellung von Parametern Leben entstehen kann. Man hat vor kurzem eine winzige Krebsart entdeckt, die bei Temperaturen von über 100° Celsius existiert. Vorher hat man Leben in dem Bereich für unmöglich gehalten. Es mag sein, dass in einem anderen Universum ein grüner Nebel zu einem violetten Nebel sagt: »Wie unwahrscheinlich, dass unser Universum genau so fein eingestellt ist, dass hier intelligente Nebel entstehen konnten«.

(3) Die Annahme von (P3) ist aus folgenden Gründen falsch: Erstens können wir keine Annahmen über die Wahrscheinlichkeiten der Parametereinstellungen machen, weil wir zu wenig Informationen haben. Es wäre z. B. erdenklich, dass es keine andere Möglichkeit für Materie gibt, als genau die vorhandene Einstellungen zu haben. Die Parameter können nicht unendlich viele Werte annehmen, sondern nur wenige Werte, womit unser Universum eine hohe Wahrscheinlichkeit hätte. Wahrscheinlichkeiten verteilen sich nicht gleichmäßig, wenn man zwei Würfel wirft, ist eine Zwölf weniger wahrscheinlich als eine Sieben.

(4) Die gängige Ansicht der Kosmologen besteht darin, ein Multiversum anzunehmen. Unser kosmischer Raum ist nur einer von vielen. Ein Multiversum ist eine Vorhersage aus den Modellen zur Entstehung unseres Universums. Wer bestreitet, dass es möglich ist, müsste ein Naturgesetz finden, was verbietet, das mehr als ein Universum entsteht. Wir können uns nicht in Ansätzen vorstellen, wie so eine Gesetzmäßigkeit aussehen könnte.

Wenn unser Universum natürlich entstanden ist, gibt es keinen Grund, anzunehmen, es sei das einzige. Gerade dass die Finetuning-Konstanten so beschaffen sind, dass sie Leben ermöglichen, ist eher ein Hinweis auf die naturalistische Entstehung des Universums. In dem Fall gibt es keinen Grund, davon auszugehen, dass das nur ein einziges Mal geschehen ist.

Jedes der Universen könnte verschiedene Parameter besitzen. Dass wir in einem Universum leben, das über genau den Satz an Einstellungen verfügt, die unsere Lebensform erlauben, ist kein Zufall – es kann nicht anders sein.

(5) Prämisse (P4) ist falsch. Die Finetuning-Konstanten hängen mit naturgesetzlicher Notwendigkeit miteinander zusammen. Selbst größere Variationen bringen keine wesentlich anderen Universen hervor, da sich die Werte gegenseitig ausbalancieren.

Hinzu kommt: Wenn ein Ereignis astronomisch unwahrscheinlich ist, bedeutet das nicht, dass es nicht passieren kann. Aus dem Grund ist (P4) eine unbewiesene Behauptung. Gibt es unendlich viele Universen, ist es hochwahrscheinlich, das minimal eines davon genau über unsere Werte verfügt.

Das kann man wie folgt begründen: Angenommen, wir haben eine Lotterie mit einer Milliarde Teilnehmern. Die Wahrscheinlichkeit, den Preis zu gewinnen, ist astronomisch gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand  den Preis gewinnt, beträgt 100%. Die Verteidiger des Arguments müssten sich hier auf den Standpunkt stellen, dass es eine Verschwörung ist, dass der Preis gewonnen wurde oder dass Gott dort eingegriffen haben muss ...

(6) Das Argument ist zirkulär, es setzt voraus, was zu beweisen wäre. Es geht davon aus, dass unser Universum geschaffen wurde, damit wir entstehen. Wir könnten ein »Abfallprodukt« der Welt sein. Wir sehen uns vielmehr in der Lage eines Hundeflohs, der meint, die Hunde seien nur für ihn geschaffen worden ...

Die Behauptung, dass die Konstanten manipuliert wurden, damit unsere Art entstehen konnte, setzt das voraus, was bewiesen werden sollte.

(7) Gott als eine Hypothese zur Erklärung der Parametereinstellungen ist eine schlechte Spekulation. Sie erklärt weder, wie die Parameter eingestellt wurden, noch, warum und erlaubt keine Vorhersagen. Es wird nicht erklärt, wie eine Schöpfung aus dem Nichts entstehen konnte. Gott wirft mehr Fragen als Antworten auf:

Theologen behaupten, es sei ein »Geheimnis«. Wir fingen mit einem Geheimnis an, das wir erklären wollten, und jetzt haben wir noch mehr Rätsel als vorher. Die angebliche Lösung widerspricht unserer Erfahrung, unserer Intuition, ist logisch inkonsistent, unverstehbar, unbegreifbar. Das bedeutet, wir haben mit Gott eine schlechte Erklärung, die alle Geheimnisse vergrößert, statt eine Lösung anzubieten. Man kann das nicht eine Erklärung nennen, allenfalls eine Mystifikation.

Bessere Erklärungen für die Umstände sind: Alles ist ein großer Zufall, die Parameter lassen sich nicht anders einstellen oder andere Einstellungen sind viel weniger wahrscheinlicher als andere. Oder es gibt viel mehr Universen oder das Universum existiert nur in unserer Einbildung. Jede der Hypothesen ist viel besser als die Gott-Hypothese.

Wenn man etwas erklären möchte, sollte man die Anzahl der erklärungsbedürftigen Dinge vermindern und nicht sie vermehren, ansonsten ist die Erklärung unsinnig.

(8) Das Argument ist »verkehrt herum«. Woran könnte man ein auf natürliche Weise entstandenes Universum von einem künstlich, geplant hergestellten Universum unterscheiden?

Gott, wenn er allmächtig wäre, müsste keine Parameter so tunen, dass sie Leben ermöglichen. Er könnte tun, was ihm beliebt. In einem natürlichen Universum müssen die Werte in einem Bereich liegen, der »fein eingestellt« ist und unser Leben ermöglicht.

Wären die Werte dergestalt, dass Leben unserer Art unmöglich wäre, hätte man ein starkes Argument für  Gott.

Wiederum ist bei dem Argument sichtbar, wie ausgesprochen schlecht »Gott« definiert ist. Alles, was existiert, gleichgültig, in welcher Form, wird als ein Beweis für ihn angesehen. Gegenbeweise werden ignoriert oder nicht zugelassen. Wenn alles  ein Beweis für  Gott ist, ist nichts ein Beweis für ihn. Hätte man eine Ahnung, was Gott im Wesen ist, wüsste man in jedem Fall, was für Indizien gegen seine Existenz sprechen!

 

Fazit

Obwohl das Argument relativ zu den anderen gut ist, da es sich auf empirische Fakten stützt, ist es unglaublich schlecht. Genau genommen handelt es sich um einen Beweis, dass das Universum ohne äußeren Eingriff auf natürliche Weise entstand!

Naturalismus macht Vorhersagen über den Zustand der Welt. Damit geht man das Risiko ein, dass einen die Fakten widerlegen. Theisten scheuen die Möglichkeit, zu scheitern, »wie der Teufel das Weihwasser«. Theismus beinhaltet keinerlei Voraussagen, sondern interpretiert jede Beobachtung im Nachhinein so, dass sie zur Lieblingshypothese passt. Das Universum wird von strengen Naturgesetzen geregelt? Ein Beweis für Gott ! Wunder »durchbrechen« die Gesetze? Auch ein Beweis für Gott ! Alles und sein Gegenteil wird benutzt, den Schöpfergott zu »bestätigen«.



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