Man zeige mir eine einzige beweisbar nützliche Sache oder Erkenntnis, die der Glauben bislang hervorgebracht hat!
Inhaltsverzeichnis:

      Erster theologischer Trick: Nichtexistenz ist nicht beweisbar
      Zweiter theologischer Trick: Wenn der Atheist seine Behauptung nicht beweisen kann, ist seine Position unlogisch
         Analyse des Tricks
         Die versteckte Annahme
         Unendlich viele Alternativen
         Es gibt keine absolute Sicherheit bei Behauptungen
         Nicht alle Hypothesen sind gleich
         Außergewöhnliche Behauptungen erfordern außergewöhnliche Beweise
      Der Trick der kritikimmunen Behauptung
         Die Basis des Glaubens ist intellektuelle Unredlichkeit

 

Erster theologischer Trick: Nichtexistenz ist nicht beweisbar

Das erste »Argument«, um sich einen Atheisten vom Leib zu halten, sieht so aus:

(P1) Ein Atheist müsste beweisen, dass es keinen Gott gibt.
(P2) Etwas Negatives kann man nicht beweisen!

(S) Die Position des Atheisten ist unlogisch.

Die Behauptung (P1) ist nicht korrekt. Die mehrheitlich vertretene Meinung der Ungläubigen ist nicht, dass man die Nichtexistenz Gottes beweisen müsste. Ein Atheist behauptet nur »Ich glaube nicht an Gott«. Im Regelfall, weil überzeugende Argumente für ihn nicht in Sicht sind.

Es ist intellektuell nicht redlich, den Atheisten auf eine Ansicht festnageln zu wollen, die er nicht vertritt. Es ist nicht Sache des Theisten, für alle anderen eine falsche Definition zu verwenden. Ich kann dem Papst nicht absprechen, katholisch zu sein. Die Prämisse (P1) baut einen Strohmann auf.

Die Behauptung (P2) ist falsch. Für ein Erstsemester Philosophie ist klar, dass man das kann. Wenn A eine Vermutung ist, und Nicht-A die Gegenbehauptung, ist A bewiesen, wenn man Nicht-A widerlegen kann. Das gilt im umgekehrten Fall gleichermaßen.

Exkurs: Wenn man eine Aussage A nimmt, etwa »Gott existiert«, entsteht das Gegenteil, wenn man ein »Es ist nicht der Fall, dass ...« davorsetzt: »Es ist nicht der Fall, das Gott existiert« – Nicht-A. Kürzer: »Gott existiert nicht«. In dem Beispiel kann man einen dritten Fall ausschließen.

Kann man A beweisen, ist Nicht-A automatisch widerlegt. Kann man Nicht-A beweisen, ist A unwahr. Folglich kann man Negatives beweisen!

Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten: Man zeigt, dass die Aussage A zu einem logischen Widerspruch führt. In dem Fall ist A unwahr und Nicht-A wahr. Das gilt umgekehrt, wenn man zeigt, dass Nicht-A zu einem solchen Widerspruch führt, dann ist A korrekt.

Beispiel: Behauptung: »Es existieren verheiratete Junggesellen«. Das ist eine Existenzaussage. Wäre die Ansicht, dass man Negatives nicht beweisen kann, richtig, könnte man die Nichtexistenz verheirateter Junggesellen nicht beweisen. Der Ausdruck »verheiratete Junggesellen« ist in sich widersprüchlich, weil »Junggeselle« definiert  ist als jemand, der nicht verheiratet ist. Wir haben die Behauptung, dass jemand verheiratet ist, der nicht verheiratet ist – das ist der logische Widerspruch, die Nichtexistenz verheirateter Junggesellen ist damit definitiv  bewiesen.

Die zweite Methode, den Modus Tollens, erläutere ich zu einem späteren Zeitpunkt.

Die obige Schlussfolgerung folgt nicht, weil beide Voraussetzungen für das Argument nicht gegeben sind. Es wäre schon widerlegt, wenn nur eine der beiden Prämissen falsch wäre!

 

Zweiter theologischer Trick: Wenn der Atheist seine Behauptung nicht beweisen kann, ist seine Position unlogisch

Der Trick ist ebenso unredlich wie der erste, doch raffinierter:

(P1) Ein Atheist müsste beweisen, dass es keinen Gott gibt.
(P2) Das kann er nicht.

(S) Die Position des Atheisten ist unlogisch.

Hier ist nur die Prämisse (P1) falsch. Damit ist das Argument widerlegt.

Mein Argument war: Atheisten glauben an Dinge, für die die Gründe, Argumente, Beweise und Evidenzen überwiegen gegenüber den Alternativen _1_. Die fehlen bei Gott, aus dem Grund ist es rational gerechtfertigt, nicht an Gott zu glauben. Sehen Sie selbst, was daraus wurde!

 

Analyse des Tricks

Der Trick besteht darin, zu sagen:

»Gott existiert« ist eine Aussage. Wenn man behauptet, dass die Aussage falsch ist, muss man das Gegenteil (»Gott existiert nicht«) beweisen, weil man nur an eine Sache glaubt, die man beweisen kann. Da man die Aussage »Gott existiert nicht« nicht beweisen kann, verstößt man gegen die Regel, die man aufgestellt hat, nur das zu glauben, was man beweisen kann _2_.

Sehen Sie den Fehler? Der erste ist die Verzerrung der atheistischen Position. Der Atheist behauptet in aller Regel nicht »Gott existiert nicht«. Er sagt: Ich glaube nicht an Gott. Weil die Beweise für Gott nicht ausreichen. Das ist eine andere Position als zu sagen Ich glaube, Gott existiert nicht.

Der zweite Fehler ist, dass man den Spieß jetzt umdrehen kann. Warum glaubt der Theist nicht an die Existenz von Zeus? Er müsste, dem eigenen Bekunden nach, einen Beleg haben, dass es Zeus nicht gibt. Sonst ist seine Position, dass es nur einen Gott gibt, nicht haltbar.

Statt Zeus kann man nicht nur einen beliebigen anderen Gott einsetzen, sondern beliebigen Unsinn. Wie kann man nur glauben, es gäbe keine Einhörner, wenn man nicht beweisen  kann, dass es keine Einhörner gibt?

Unser Autor hat behauptet, dass es unlogisch ist, irgendeinen beliebigen Unsinn nicht zu glauben, solange man nicht beweisen kann, dass das Gegenteil wahr ist ! Das gilt gleichzeitig für das Gegenteil. Und damit schießt er sich das erste Mal in den Fuß _3_. Die verzerrte Darstellung einer Position, um die zu zerlegen, ist ein klassischer Denkfehler (Strohmann) und, als rhetorischer Trick gebraucht, eine unredliche Strategie.

Der (gravierende) Fehler liegt in einer versteckten  Annahme, die zirkulär in den Schlussfolgerungen erneut auftaucht. Die verdeckte Prämisse ist die:

 

Die versteckte Annahme

Alle  Behauptungen sind gleichwertig  zu ihrem genauen Gegenteil.

Ist das der Fall, spielt es keine Rolle, ob ich A beweise oder Nicht-A. Außerdem ist es gleich schwer, das zu tun. Ferner sind für Behauptung A und Gegenbehauptung Nicht-A die Wahrscheinlichkeiten, dass sie jeweils wahr sind, gleich groß.

Das ist so gut wie nie der Fall, es sei denn, ich werfe eine ausbalancierte, ausgewogene Münze und behaupte, das Kopf oben liegt (Gegenteil: Zahl liegt oben). Ein Beispiel: Wenn der Autor der oben zitierten Website recht hätte, wären folgende beiden Behauptungen gleichwertig:

Behauptung: Alle Menschen sind sterblich, was ihren materiellen Leib angeht _4_

Gegenbehauptung: Es ist nicht der Fall, dass alle Menschen sterblich sind. Oder: Es gibt Menschen, die ewig körperlich  leben.

Glaubt jemand die Gegenbehauptung? Es gibt Sagen über Unsterbliche, die unter uns leben. Wenn man es genau nimmt, kann man es viel schärfer formulieren: Jeder einzelne Mensch ist sterblich – jedes Individuum ist unsterblich. Dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass jeder von uns unsterblich ist, bei 50%! Und das glaubt niemand _5_.

Hier kann man einwenden, dass es einen starken Beweis gibt: Bislang ist jeder Mensch gestorben. Wie ist das bei Behauptungen, deren Wahrheitsgehalt sich nicht leicht beweisen lässt? Und wie sieht es aus, wenn es mehr als nur eine  Alternative gibt?

 

Unendlich viele Alternativen

Man kann sagen: Entweder existiert der christliche Gott, oder Allah. Oder Jahwe, der jüdische Gott – das ist der, der keinen Sohn namens Jesus hatte. Oder Zeus. Wenn der griechische Gott Zeus existiert, ist der Monotheismus falsch. Genauer: Jede heidnische Gottheit _6_, die existiert, würde den Monotheismus widerlegen! Zudem muss man sagen: Jede logisch mögliche übernatürliche Wesenheit ist eine alternative Annahme zu dem jüdisch-christlich-islamischen Supergott. Die Wahrscheinlichkeit dem Augenschein nach, wenn man keine zusätzlichen Informationen hat, ist eins zu der Anzahl der Alternativen. Letztere Zahl ist unendlich, aus dem Grund beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei Gott um den des Christentums handelt, NULL.

Selbst wenn wir beim Monotheismus bleiben: Gott kann eine unendliche Anzahl  unterschiedlichster Eigenschaften haben. Tatsache ist ja auch, dass man kaum zwei Gläubige finden wird, die an genau denselben Gott glauben. Unterschiede können subtil, aber auch gewaltig sein. Die Möglichkeiten sind unendlich, daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein spezifischer Gott existiert, unendlich gering. Man müsste nämlich Anhaltspunkte haben, welcher der möglichen Götter existiert, diese fehlen aber.

 

Es gibt keine absolute Sicherheit bei Behauptungen

Nun gibt es praktisch keine Atheisten, die behaupten, dass es mit absoluter Sicherheit  keinen Gott gibt. Nicht an Gott zu glauben ist schon rational gerechtfertigt, wenn man sagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass Gott existiert, ist kleiner als 50%. Man kann einwenden, dass Gott ein sehr vages Konzept ist – die Gläubigen geben ja zu, dass sie selbst nichts so genaues wissen – dass also »Gott« ein weites Feld möglicher Gottheiten umspannt, aber die Anzahl der Alternativen bleibt weiterhin unendlich. Man muss natürlich das Konzept der Unendlichkeit verstanden haben, das besagt, dass man aus einer unendlich großen Menge eine beliebige, also auch unendlich große Menge an Elementen herausnehmen kann, dass der Rest der Menge aber immer noch  unendlich groß ist. Das ist die Definition der Unendlichkeit!

Daran scheitert der Versuch, die Situation zwischen Theisten und Atheisten zu einem Patt zu erklären. Denn die Position des Gottgläubigen besteht darin, zu sagen: Ich glaube an Gott, und ich behaupte, dass es keinen Gegenbeweis für diese Behauptung geben kann. Die Gegenposition dazu wäre aber: Ich glaube nicht an Gott, und ich behaupte, dass es keinen Gegenbeweis (= Beweis für Gott) geben kann.

Letztere Auffassung wäre äquivalent (= gleichwertig). Nur wird man die nicht finden. Denn ich denke z. B., wenn es einen Gott gäbe, würde man auch Belege für seine Existenz entdecken! Nur ist die Behauptung, dass Gott existiert, zu wenig wahrscheinlich, sich überhaupt Gedanken darüber zu machen. Analogie: Man ist in der Lage, sich entscheiden zu müssen, ob eine bestimmte Zahlenkombination nächste Woche sechs Richtige im Lotto bringt. Auch wenn man vor der Ziehung nicht beweisen kann, dass nächste Woche dieser eine Tipp gewinnt, ist man immer auf der sicheren Seite, wenn man das bezweifelt. Allerdings sind bei der Lottoziehung die Chancen ungleich höher, dass man sich irrt!

 

Nicht alle Hypothesen sind gleich

Nicht alle Behauptungen sind zu ihrem Gegenteil gleichwertig. Da eine falsche Annahme – wenn auch versteckt – in den ganzen Argumenten steckt, kann man die gesamte Argumentation ablehnen, ja, man muss sie sogar verwerfen!

 

Außergewöhnliche Behauptungen erfordern außergewöhnliche Beweise

Der Atheist muss also kein Gegenargument für die Existenz Gottes haben. Er muss nur sagen: Außergewöhnliche Behauptungen erfordern auch außergewöhnliche Beweise. Liegen diese nicht vor, kann man ohne jeden Beweis die Behauptung zurückweisen. Der Theist muss erst mal seinen Gott genau genug definieren, dann zeigen, dass eine solche Existenzbehauptung ebenso wahrscheinlich ist wie das Gegenteil, dann kann man darüber reden.

Man kann zusätzlich formulieren: Eine Behauptung, für die es keine Beweise gibt oder gar geben kann, kann man auch ohne jeden Beweis zurückweisen.

 

Der Trick der kritikimmunen Behauptung

Hinzu kommt, dass eine gegen Kritik immunisierte These – oder anders gesagt: reiner Unsinn – sich nicht widerlegen lässt. Das Gegenteil dazu allerdings auch nicht. Folglich müsste der Theist zunächst demonstrieren, dass seine Annahme nicht kritikimmun  ist. Wie macht man das? Man formuliert seine Hypothese so, dass ein empirisch und/oder logisch  in menschlicher Reichweite liegender, möglicher Fall existiert, der die These widerlegt und benennt diesen Fall, sofern er nicht offensichtlich ist. Ist das nicht möglich, dann kann man diese These ohne jeden Beweis  ablehnen. Das ist der Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Hypothese und Unsinn. Unsinn ist unwiderlegbar, immer, und wenn jemand mit etwas Unwiderlegbarem daherkommt, muss derjenige, der diese Behauptung aufstellt, beweisen, dass es sich nicht um reinen Unfug handelt.

Warum sollte ein Atheist seine kostbare, begrenzte Lebenszeit darauf verschwenden, jeden Unsinn zu widerlegen? Oder die hanebüchene Annahme hegen, wenn ihm das nicht gelingt, sei der Unsinn wahr?

 

Die Basis des Glaubens ist intellektuelle Unredlichkeit

Gläubige mögen auf derlei intellektuell unredliche Tricks hereinfallen, was daran liegt, dass sie getäuscht worden sind. Es gibt keine rationale Methode, jemandem seinen Wahn auszureden. Das wird jeder Psychotherapeut und Psychiater bestätigen. Jemand, der sich für Napoleon hält, wird sich das nicht kaum ausreden lassen. Er wird natürlich verlangen, dass ich beweise, dass er nicht Napoleon ist, dann aber keinen Beweis andekennen, und mit der Vorgehensweise auf der oben verlinkten Website hat er auch jedes Recht dazu! Er wird es auch nicht als Widerlegung akzeptieren, wenn ich ihm beweise, dass ich nicht Napoleon bin. Die Definition  eines Wahns lautet so: Es handelt sich um eine starke Überzeugung, die gegen widersprechende Beweise aufrecht erhalten wird. Es reicht aus, wenn die Überzeugung von sehr geringer Wahrscheinlichkeit ist, beispielsweise, dass Außerirdische die Menschheit mit Gedankenkontrollstrahlen manipulieren. Hier lässt sich das Gegenteil nicht beweisen!

Lustig ist das »Spielchen« gewisser Gläubiger (und unredlich!), bei jedem Gegenargument gegen Gott im Prinzip  Folgendes zu sagen: »Gut, jetzt hast Du einen  Gott widerlegt – aber genau an den glaube ich nicht! Ich habe ja noch unendlich viele Varianten übrig!« Das liegt natürlich daran, dass Gott so unspezifisch und vage definiert wird. Was aber wiederum bedeutet, dass die Existenz Gottes immer noch unendlich unwahrscheinlich  ist. Das ist aber eine perfekte rationale Rechtfertigung für den ↑Atheismus!

Lieber Gott, nimm es hin, dass ich weiter skeptisch bin. Und gib ruhig einmal zu: Keiner ziert sich so wie Du. Preisen werd ich Deinen Namen, aber zeig Dich vorher. Amen.

Wolfgang Klosterhalfen

1. Überwiegen  heißt nicht, dass man »für alles« Beweise  hat. Das wäre eine Haltung, die, wenn Atheisten sie in der Tat vertreten sollten, in erster Linie die Dummheit der Glaubenslosen deutlich demonstriert. Es sind ideologisch dogmatisch orientierte theistische Propagandisten, die das den Atheisten unterstellen, weil sie dann – und nur dann – leichtes Spiel haben. Zurück zu 1

2. Das ist nicht die Behauptung, wie ich schon gezeigt habe. Der Fall ist komplizierter und subtiler. Zurück zu 2

3. dass man eine Behauptung beweisen müsse, ist nicht  die Ansicht des Theisten. Man kann eine Sache glauben, ohne  jeden Beweis, ohne  Argumente, ohne  Gründe, ohne  Evidenzen. Kurz, man kann nach Belieben jeden Unsinn glauben, ungeachtet der Konsequenzen – das ist die Alternative. Man kann obendrein gegen  alle Beweise, Argumente etc. glauben. Das ist die Quintessenz des religiösen  Glaubens, und genau dazu  vertreten die Atheisten die Gegenposition. Es ist nicht beliebig, was man glaubt. Sondern, dass man die Alternative bevorzugen sollte, für die die Überzahl vernünftiger Gründe, Argumente, Beweise und Evidenzen sprechen. Und, dass man sich das, was man glaubt, nicht von seinen Wünschen diktieren lässt. Zurück zu 3

4. Wir reden hier nicht von einer Seele o. ä., sondern vom materiellen Körper. Zurück zu 4

5. Ich denke, ich muss aufhören, zu behaupten »Das glaubt niemand«. Es gibt Menschen, die verstehen das als Herausforderung, mich zu widerlegen. Zurück zu 5

6. Vorausgesetzt, wir definieren heidnische Götter als »übernatürliche Wesen«, was kein Heide tun würde, weil die Götter Teil der Natur sind, nicht etwas, was darübersteht. Zurück zu 6


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