Vom Atheisten erwartet man logische Argumente. Wenn er sie nicht äußert, nennt man ihn irrational. Wenn er sie äußert, behauptet man, dass Gott nicht der Logik unterliegt.
Inhaltsverzeichnis:

      Man kann Negatives nicht beweisen?
      Argumentationsmuster
      Voraussetzungen
      Fall 1
      Fall 2
      Fall 3
      Hinweise

 

Man kann Negatives nicht beweisen?

Bevor ich ein Beispiel gebe, wie man darlegen kann, dass Gott nicht existiert, muss ich zuerst ein altes Vorurteil aus dem Weg räumen. Es besteht aus der Behauptung:

Man kann Nichtexistenz nicht beweisen

Den (falschen) Glaubenssatz hört man oft von Gläubigen. Das ist reiner Unsinn, wäre es wahr, könnte man nichts beweisen. Es gibt viele negative Beweise, z. B. der Beweis, dass es keine höchste Zahl geben kann. Wenn X die größtmögliche Zahl wäre, wäre X + 1 eine größere. Damit ist bewiesen, dass ein »größte Zahl« nicht existieren kann.

Ein zweites, empirisches Beispiel: Wir hören nebenan ein Fenster klirren, Wir laufen in das Nachbarzimmer und sehen, dass die Fensterscheibe zersplittert ist, überall liegen Glasscherben verstreut. Wir vermuten, dass jemand das Glasfenster mit einem Stein eingeworfen hat. Wir finden nirgendwo einen Stein. Damit ist die Vermutung falsch. Ein Stein, der die Ursache für die zerbrochene Scheibe ist, existiert nicht.

 

Argumentationsmuster

Das logische Muster geht so:

die Ursache des zerbrochenen Fensters ist ein Steinwurf.
Aber nirgendwo ist ein Stein zu finden.

Folglich kann das Fenster nicht durch einen Stein zerbrochen worden sein.

Oder: Wenn ein Steinwurf die Ursache für den Fensterbruch wäre, dann müsste sich ein Stein finden lassen. Man nennt dieses logische Argument den modus tollens. Logische Aussagen lassen sich stets umkehren:

Es ist der Fall, dass das Fenster zerbrochen wurde. Kurzform: Das Fenster zerbrach.

Es ist nicht der Fall, dass das Fenster nicht zerbrochen wurde. Kurzform: Das Fenster zerbrach nicht.

Eine logische Umkehrung lässt sich dadurch bewerkstelligen, dass man ein »Es ist nicht der Fall, dass ...« vor eine Aussage stellt. Dann hat man eine negative Aussage aus einer positiven gemacht. Wiederholt man das, und sagt »Es ist nicht der Fall, dass es nicht der Fall ist ...« dann hat man die Ursprungsaussage wieder. In der ↑Logik hebt sich eine doppelte Verneinung auf – anders als in der Umgangssprache: »Ich habe kein Geld nicht« meint, dass ich kein Geld habe.

Jede Aussage, jede Behauptung lässt sich umdrehen. Wenn ich behaupte »Gott existiert« ist eine wahre Aussage, dann bedeutet dies, dass die Gegenaussage »Es ist nicht der Fall, dass Gott existiert« falsch sein muss. Und es gilt die Umkehrung. Kann man das eine beweisen, beweist man zugleich, dass die negative Umkehrung falsch ist. Und umgekehrt! Eine Aussage, die man nicht umdrehen kann, oder bei der man weder die Wahrheit des einen noch die Wahrheit der Umkehrung behauptet, nennt man sinnfrei. Siehe auch: [Frankfurt 2005], wo das drastischer formuliert wird.

Nun ist eine Aussage des Glaubensbekenntnisses die, dass Gott die Welt erschaffen hat. Schließt man aus, dass diese Aussage sinnfrei ist, dann ist das eine Tatsachenbehauptung über diese Welt. Eine solche kann man untersuchen. Dann kommen wir zu einem negativen Existenzbeweis mithilfe des modus tollens :

 

Voraussetzungen

Wenn ein Schöpfergott existiert, dann hat er die Welt (Materie) erschaffen (Gott ist die Ursache für die Existenz der Welt).
Die Welt wurde nicht erschaffen.

Folglich existiert kein Schöpfergott.

Diese - und die folgenden Aussagen – sind im übrigen unabhängig davon, ob Gott selbst der ↑Logik unterliegt oder nicht.

Nun machen wir eine Fallunterscheidung. Wir können drei Annahmen treffen:

  1. Gott hat die Zeit erschaffen. Das impliziert, dass für Gott keine Zeit vergeht.
  2. Gott hat die Zeit nicht erschaffen. Das setzt voraus, dass Zeit »immer schon« vergangen ist und Gott ewig existiert.
  3. Gott existiert außerhalb unserer Zeit.

Wenn es nicht mehr Möglichkeiten als diese gibt, dann ist mein Argument vollständig.

 

Fall 1

Fall 1: Gott hat die Zeit erschaffen. Bevor er das tat, gab es keine Zeit. Oder: Für Gott verging keine Zeit.

Wenn dies der Fall sein sollte, dann hatte Gott keine Zeit, um die Zeit zu erschaffen. Ausführlich:

Ein Prozess erfordert Zeit. Auch das Fällen einer Entscheidung setzt Zeit voraus. Jede Aktion setzt Zeit voraus. Damit man handeln kann, muss Zeit vergehen: Es muss eine Zeit vor der Aktion und eine Zeit nach der Aktion geben. Damit A die Ursache von B sein kann, muss Zeit vergehen: Eine Zeit, bevor die Wirkung eintrat.

Trifft Fall 1 zu, konnte Gott weder eine Entscheidung treffen, was er tun wollte, noch konnte er einen Prozess des Schöpfens in Gang setzen. Er kann nicht die Ursache für die Welt sein.

Schlussfolgerung:

Trifft der Fall 1 zu, kann kein Schöpfergott existieren. Das ist logisch zwingend! Wir haben zwei weitere Fälle zu berücksichtigen. Nur für den ersten Fall können wir feststellen, dass es keinen monotheistischen Schöpfergott geben kann.

 

Fall 2

Fall 2: Gott hat die Zeit nicht erschaffen. Zeit hat schon ewig existiert, sonst könnte nicht Gott ewig existieren.

In dem Fall muss man sich fragen, was Zeit ist? Zeit ist eine Eigenschaft des Raums, ohne Raum gibt es keine Zeit, und ohne Zeit gibt es keinen Raum. In der Einsteinschen Relativitätstheorie spricht man von »Raumzeit« Das ist wie die Seite einer Münze: Eine Vorderseite der Münze kann es nicht geben, wenn es keine Rückseite gibt.

Raum setzt wiederum etwas voraus, die Existenz von Materie oder Energie. Nach der Relativitätstheorie sind Materie und Energie ein und dasselbe. Überall, wo man Materie schreibt, kann man ebenso gut Energie schreiben und umgekehrt. Man sagt, beide seien äquivalent.

Zeit existiert, weil man Bewegung von Materie/Energie in einem Raum hat. Ohne Zeit kein Raum, ohne Raum keine Zeit. Ohne Materie keine Energie, ohne Energie keine Materie. Ohne Materie kein Raum, ohne Raum keine Materie. Wir haben entweder alle vier (Raum, Zeit, Materie und Energie), oder nichts davon. Da es etwas gibt – das ist unbestreitbar – heißt das, dass es »immer schon« Materie gab. Anders gesagt: Es gab niemals eine Zeit, zu der es keine Materie gab!

Das bedeutet, das Materie ewig existiert. Damit Gott die Materie hätte erschaffen können, hätte er schon »vor der Zeit« existieren müssen. Das ist unmöglich, weil das voraussetzt, dass »vor der Zeit« Zeit verging. Damit ist das selbstwidersprüchlich, falsch. Wenn wir behaupten würden, dass die Zeit entstanden ist (mit der Materie, dem Raum etc.), verging keine Zeit vorher. Gott hatte keine Zeit, um die Zeit (oder Materie, Raum etc.) zu erschaffen.

Trifft der Fall 2 zu, kann es keinen Schöpfergott gegeben haben, das ist logisch unmöglich.

 

Fall 3

Fall 3: Gott existiert außerhalb der Zeit.

Entweder, es verging eine eigene Zeit für Gott, so setzt das Materie voraus. Gott konnte sie nicht erschaffen haben. Oder, für Gott verging keine Zeit, dann hatte Gott wiederum keine Zeit, um die Zeit zu erschaffen.

Das bedeutet wiederum, dass es keinen Schöpfergott geben kann.

Fazit: Gleichgültig, was wir annehmen, das Ergebnis ist jedes Mal dasselbe. Man kann die Existenz eines Schöpfergottes ausschließen.

 

Hinweise

Die Feststellung, dass Gott ohne Zeit keine Zeit hatte, um die Zeit zu erschaffen, nennt man Draygombs Paradoxon, nach dem Nutzer des Forums der _Internet Infidels (das Forum existiert leider nicht mehr, ebenso das Nachfolgeforum). Das weitere Argument ist, soweit ich weiß, von mir – zumindest habe ich es in der Form nirgendwo gefunden. Gott muss innerhalb  einer Zeit agieren, die schon die Existenz von Materie voraussetzt.

Im nächsten Abschnitt beschäftige ich mich mit den Einwänden gegen das Argument: Ein Argument gegen Gott – Einwände
Alle denkenden Menschen sind Atheisten.

Ernest Hemingway


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